Vitromusée Romont
Deckelpokal

Deckelpokal

Böhmen, Harrach’sche Glashütte, Neuwelt, um 1830
Farbloses Glas, Biscuitporzellan
H 37,3 cm (mit Deckel)
Vitromusée Romont, VMR VO 78

Nachdem man im späten 17. und während des 18. Jahrhunderts in Böhmen, Schlesien, Brandenburg und weiteren Regionen Gläser durch Schneiden und Schleifen auf höchstem Niveau veredelt hatte, wurden gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts neue Wege beschritten. Der Schliff- und Schnittdekor zierte nun Gläser anderer Form und vor allem führten viele neue Erfindungen zu beeindruckenden Resultaten. Böhmische Glashütten waren bei vielen dieser Bemühungen tonangebend. Ein Beispiel für damals praktizierte Neuerungen sind Gläser mit in die Wandung eingeglasten Pasten wie im hier gezeigten Beispiel.

Die Oberfläche des Deckelpokals ist mit Ausnahme weniger Quadratzentimeter geschliffen und poliert. Auf der Schauseite ist in einem ovalen Feld eine kleine Reliefbüste aus Biscuitporzellan eingeglast, also beidseitig von Glas überfangen. Dargestellt ist ein Profilbildnis König Ludwigs I. von Bayern, der den Thron von 1825 bis 1848 innehatte. Als Vorbild für das Relief könnte ein silberner Kronentaler von 1828 gedient haben, auf dem auch der für Darstellungen Ludwigs I. typische kleine Bart auf der Unterlippe, eine sogenannte ‹Fliege›, zu sehen ist.

Die Harrach’sche Glashütte in Neuwelt auf der böhmischen Seite des Riesengebirges wurde um 1712 von der Familie der Grafen von Harrach gegründet. Sie war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der führenden Betriebe in dieser wichtigen Glashüttenregion und wurde dafür gelobt, um 1830 die besten Arbeiten mit eingeglasten Pasten erzeugt zu haben. Die Porzellanreliefs wurden auswärts bestellt und zum Teil von weit her eingeführt, etwa aus Paris. Nachgewiesen ist die Verarbeitung von Porträts Ludwigs I. für die Zeit von 1830 bis 1833. Stücke mit dieser Art von Dekor, aus Glas von höchster Qualität und zusätzlich mit Schliff, galten zu ihrer Entstehungszeit als Luxusobjekte. Sie wurden wohl ausschliesslich für Repräsentationszwecke verwendet.

© Foto: Vitromusée Romont / Erwin Baumgartner