
Allegorie des Herbstes
Anna Maria Barbara Abesch (Sursee 1706–1773 Sursee)
1727
Hinterglasbemalung mit Negativeffekt. Die Farben sind in mehreren Schichten sehr dünn aufgetragen.
Glastafel: H 9.2 cm, B 10.2 cm
Vitrocentre Romont, Sammlung R. und F. Ryser, RY 607
Seit der Antike wurde gelegentlich Glas mit geschliffenem und geschnittenem Dekor versehen. Ab dem 17. Jahrhundert entstanden Werke, die alles Frühere an Qualität der Ausführung übertrafen. Voraussetzung für diese Entwicklung war, dass Erfahrungen, die im 16. Jahrhundert bei Schliff und Schnitt von Edelsteingefässen – zum Beispiel aus Bergkristall – gemacht wurden, auf die Bearbeitung von Glasgefässen übertragen wurden. Das betrifft vor allem die Möglichkeit, feine Motive mittels Tiefschnitt in Oberflächen einzuarbeiten. Während im 17. Jahrhundert die führenden Glasschneider in Nürnberg arbeiteten, ging um 1700 das Primat an Böhmen und dann an Schlesien über. Zwischen etwa 1725 und 1750 hatte Schlesien die führende Position im künstlerischen Glasschnitt inne.
Zum klassischen Repertoire der schlesischen Schliff- und Schnittgläser des zweiten Viertels des 18. Jahrhunderts gehören als wichtigste Typen Kelchgläser, Konfektschälchen und Fussbecher. Glückliche Umstände führten dazu, dass das Vitromusée zwischen 2019 und 2022 drei entsprechende Stücke erwerben konnte, die nun hier vereint gezeigt werden können. Sie passen vorzüglich zueinander, weil sie von gleich hoher handwerklicher Qualität sind und – was nicht der Norm entspricht – alle drei Dekor zugleich in Hoch- und Tiefschnitt haben. Da zahlreiche schlesische Gläser aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts mit ähnlich qualitätsvollem Dekor überliefert sind, werden in der Fachliteratur die geschliffenen und geschnittenen Gläser dieser Zeit und Region als die besten ihrer Art bezeichnet.
Auf der einen Schauseite des Kelchglases ist ein Schiff in einer Bucht dargestellt, auf der andern steht – wie häufig auf barocken Schnittgläsern – ein Sinnspruch:
« ver traue dich der see.
dem frauen zim ̅er nicht
so leicht als wie ein glas
auch ihre gunst zer bricht. »
Dieser Text ist – wohl als Zitat – fast identisch bereits in einem 1630 veröffentlichten Werk des schlesischen Barockdichters Martin Opitz (1597-1639) zu finden (« Schäfferey von der Nimfen Hercinie »). Offensichtlich wurde das Sprichwort so populär, dass es sich auch noch auf unserem hundert Jahre jüngeren Kelchglas findet.