
Groteske mit zwei Kranichen
Wohl Brüssel/Belgien, unbekannter Künstler/unbekanntes Atelier, um 1885–1895
Glasgemälde mit Bleiruten; Farbloses und in der Masse gefärbtes hellblaues Glas, Bemalung mit Schwarzlot und Silbergelb sowie Schmelzfarben
Im Licht: H 104 cm, B 84 cm; mit Rahmen: H 110 cm, B 90 cm
Vitromusée Romont, VMR 433
Das ornamentale Glasgemälde stammt sehr wahrscheinlich aus Brüssel. Es ist der Stilepoche des Historismus, genauer gesagt der Neorenaissance, zuzuordnen. Grotesken, Rankenwerk mit fantastisch gestalteten Tier- und Pflanzenmotiven, gehen ursprünglich auf antike Kunstwerke zurück, die man um 1500 wiederentdeckt hatte.
Die Ranken sind auf den ersten Blick praktisch spiegelbildlich. Leichte Unterschiede lassen sich in der Licht- und Schattenführung entdecken, die das Glasgemälde beleben. Die Präzision, mit der die Darstellung ausgeführt wurde, gipfelt in der unteren Hälfte des Glasgemäldes: Das in Schwarzlot aufgemalte «Ornament im Ornament» ist mit einer ausgesprochenen Genauigkeit ausgeführt und sogar ein Schattenwurf wurde hinzugefügt.
Auf den Ranken stehen zu Seiten eines Blumenbouquets zwei Kraniche. Der Kranich ist – aufgrund seines natürlichen Verhaltens – seit der Antike ein Symbol für Wachsamkeit und Klugheit. Das Christentum sieht im langbeinigen Schreitvogel die Verkörperung von Liebe und Treue, weil Kraniche als monogam gelten. Die beiden Kraniche werden, aufgrund ihrer Gestaltung mit den zu Voluten eingerollten Flügen und der spiegelbildlichen Darstellung, auch als Teil des Ornaments aufgefasst.
Solche ornamentalen Glasgemälde schmückten oft Treppenhäuser oder Veranden privater Wohnbauten. Ende des 19. Jahrhunderts waren sie besonders beliebt. Sie stellten einen Luxus dar, denn das langwierige Einbrennen der Farben war, verglichen mit der meist ohne Bemalung auskommenden Mosaikverglasung, sehr kostspielig.