
Ecce Agnus Dei – Johannes der Täufer begegnet Christus
Medaillon aus der Kathedrale von Lausanne, um 1195
Glasgemälde mit Bleiruten; in der Masse gefärbtes Glas, Schwarzlot. Durchmesser 66 cm
Leihgabe des Musée cantonal d’archéologie et d’histoire, Lausanne, VMR 416
Auf dem blauen Hintergrund dieses Glasgemäldes ist die Figur Johannes des Täufers zu erkennen, der vor einer Gruppe von Menschen auf Jesus zeigt. In der Mitte des Medaillons befindet sich der Heilige, der einen roten Heiligenschein trägt und mit einer grünen Tunika und einem violetten Mantel bekleidet ist. Sein Gesicht ist den acht Personen zugewandt, die die Szene zu seiner Rechten beobachten. Sein rechter Arm deutet auf Christus, der seinerseits mit einer weissen Tunika und einem violetten Mantel bekleidet ist. Sein Heiligenschein ist ebenfalls rot und mit drei weissen Strahlen ausgestattet, die das Kreuz symbolisieren. Sein Blick ist nach oben gerichtet und seine Arme sind über der Brust gefaltet. Ein zwischen dem Prediger und Christus angebrachte Schriftrolle trägt die Inschrift ECCE AGNUS DEI, "Siehe, das Lamm Gottes". Über den Figuren wird der Himmel durch weisse, rote und gelbe Wellenlinien dargestellt. Das Medaillon ist von einer Fassung aus roten Glasstücken und einem äusseren, perlenbesetzten Rahmen umgeben. Am unteren Rand werden diese Bordüren von einem grünen Palmettenfries unterbrochen, der zwei Zacken eines Sterns zeichnet.
Die drei wesentlichen Elemente der Szene aus dem Neuen Testament (Joh 1,29) – die Menschenmenge, Christus und in der Mitte Johannes der Täufer mit seiner ausdrucksstarken Geste, die die ganze Szene zusammenfasst – werden in der für die mittelalterliche Ikonografie typischen knappen und direkten Art und Weise dargestellt. Der Stil, der sich an der Schwelle zwischen Romanik und Gotik befindet, nähert sich burgundischen Kreationen an.
Mit Ausnahme der Fensterrose ist dieses Medaillon eines der wenigen Fragmente, die die Zerstörung fast aller mittelalterlichen Glasfenster der Kathedrale von Lausanne überstanden haben, die unter anderem 1235 einem Brand und danach Vandalismus während der Burgunderkriege und der Reformation zum Opfer fielen. Es diente als Lückenfüller bei einer Restaurierung der grossen kosmologischen Rose der Kathedrale, in die es spätestens um 1770 eingefügt worden war. Um 1891 wurden die Buntgläser der Rose von Edouard Hosch ausgebaut und in sein Atelier gebracht. Unser Fragment enthielt noch genügend ursprüngliche Elemente, um es – wie drei andere Fragmente – mit einem Fenster in Verbindung zu bringen, das Johannes dem Täufer geweiht war. Es befand sich in den östlichen Teilen der Kathedrale, die bereits 1195 erbaut wurden. Das Medaillon ist somit eines der ältesten erhaltenen Glasfenster der Schweiz. Die aus der Rose geborgenen Fragmente wurden später in die unteren Fenster des südlichen Querschiffs unterhalb der Rose eingesetzt, wo sie bis 1934 blieben. Der gebrochene grüne Palmettenfries und der Rest einer gelben Palmette am unteren Rand des Medaillons sind Überbleibsel der ursprünglichen Rahmung, als die Scheibe Bestandteil des Johannes dem Täufer gewidmeten Fensters war. Die rote Fassung und der Perlenfries stammen aus der Zeit, als das Medaillon in die unteren Fenster verlegt wurde.