
Vase
Saint-Prex, Verreries de Saint-Prex, 1931–1964
Türkisfarbenes Glas, Email und Gold
H 20 cm
Vitromusée Romont, VO 56
Dieses Modell wurde 1935 im ersten Verkaufskatalog des neuen künstlerischen Produktionszweiges der Verreries de Saint-Prex (1928-1964) veröffentlicht, erschien aber schon im unveröffentlichten Vertreterkatalog der Jahre 1931 bis 1935. Das Vitromusée Romont besitzt drei Exemplare in verschiedenen Ausführungen: aus grünem Glas, mit goldenem Blumendekor und Craquelé Goldbelag.
Für die spezielle goldene Beschichtung wird auf die formgeblasene Vase zunächst blaues Email aufgespritzt und gebrannt. Nach Abkühlung wird sie mit einer dünnen Goldschicht überzogen, die durch erneutes Brennen fixiert wird. Der Schmelzpunkt der beiden Schichten ist unterschiedlich, wodurch die Risse entstehen.
Ikonisch für die Verrerie artistique von Saint-Prex ist sowohl der goldene Craquelé-Dekor als auch die Form der Vase. Seit 1947 verkörpert ein solches, die Fassade des Vetropack-Gebäudes schmückendes Gefäss aus grünem Glas das gesamte Kunstsortiment der Glashütte (siehe Foto unten).
Zwei weitere, ähnliche Modelle, die entweder einen stärker gewölbten Gefässkörper oder eine schlankere Form aufweisen, variieren dieses sich vor allem an ein weibliches Zielpublikum richtende Angebot.
Die Form der Vase, die seit der Antike bekannt war und von den Avantgarde-Bewegungen des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde, verbreitete sich in den 1920er und 1930er-Jahren in Europa sowie den Vereinigten Staaten und zeugt von der damaligen Begeisterung für diese Tulpenform.
Für die Planung der Verrerie artistique setzte die Leitung der Glashütte auf bekannte Designer. Der Keramiker Paul Ami Bonifas wurde ab 1931 als Mitarbeiter der Glashütte herangezogen. In der ihm gewidmeten Monografie von Edmond Beaujon erinnert sich Bonifas: «Im Hinblick auf den Salon fédéral des Beaux-Arts et des Arts Appliqués, der 1931 in Genf stattfand, wurde ich von der S.A. des Verreries de Saint-Prex beauftragt, die Modelle, die sie der Jury vorlegen wollten zu entwerfen und deren Produktion zu begleiten. Zwei Monate lang hatte ich das Glück, mit einem hochqualifizierten Glasbläser aus Norditalien, der seine Ausbildung in Murano absolviert hatte, zusammenzuarbeiten. Unser Material war nichts anderes als gewöhnliches Flaschenglas.»
Die Mitwirkung dieses namenlos gebliebenen italienischen Glasbläsers in Saint-Prex deutet auf einen Beitrag der zeitgenössischen Glaskunst hin. Tatsächlich entwickelte der Künstler Vittorio Zecchin (1878-1947), von 1921 bis 1925 künstlerischer Leiter der Firma Vetri Soffiati Muranesi Cappellin Venini & Co., mehrere Variationen dieser Tulpenform. Mit flachem oder hohlem Fuss wirkt die Form mal schlank wie ein Kelch oder breit und geschwungen. Die Kreationen aus Murano, die 1922 und 1923 auf den Ausstellungen in Paris und Monza gezeigt wurden, zeugen vom lebhaften Interesse für dieses Modell und machten Furore. Ähnliche Ansätze sind auch in den Katalogen von Saint-Prex zu finden.
Auch Bonifas liess sich für seine Keramikarbeiten von der harmonisch geschwungenen Form inspirieren und vereinte somit die von ihm geschätzten Aspekte des Designs mit zeitgenössischer Glaskunst.