Vitromusée Romont
Kelchgläser

Kelchgläser

Schweiz, Ende 17. bis Anfang 18. Jh.
Farbloses und weisses Glas
H 12,9 bis 14,6 cm
Privatsammlung

Kelchgläser dieser Art – mit weissen Fadeneinlagen in Fuss und Schaft und einer Kuppa (Kelch) aus farblosem Glas – sind in der Literatur oft erwähnt worden. Sie wurden vorerst Venedig zugeschrieben, dies gemäss einer Tradition, die über lange Zeit Stücke mit weissem Fadendekor reflexartig mit der Lagunenstadt in Verbindung brachte. In den 1960er Jahren kam die Vermutung auf, solche Gläser seien à la Façon de Venise in den südlichen Niederlanden angefertigt worden. Diese Meinung wurde in der Literatur akzeptiert und bis in die Mitte der 1990er Jahre oft wiederholt. 1995 dann wurde im Sammlungskatalog Verre de Venise et façon de Venise (Musée Ariana) aufgrund verschiedener Beobachtungen eine Herkunft aus der Schweiz vorgeschlagen. Die archäologische Ausgrabung einer Glashütte im bernischen Jura brachte kurz darauf den Beleg, dass dort effektiv entsprechende Stücke hergestellt wurden.

Die erwähnte Ausgrabung fand zwischen 2000 und 2004 in Court – auf halber Strecke zwischen Moutier und Tavannes – statt. Unter den Tausenden von Glasfragmenten, die gefunden wurden, waren auch solche, die die verschiedenen Etappen der Herstellung derartiger Kelchgläser belegen. Die untersuchte Glashütte Pâturage de l’Envers war 1699 bis 1714 in Betrieb, ein willkommener Hinweis für die Datierung. Gläser der gleichen Art wurden aber in Court schon in der 1673 bis 1699 betriebenen Vorgängerhütte Sous les Roches gefertigt, von der ebenfalls entsprechende Fragmente zu Tage kamen. Da in den an Court angrenzenden Regionen bisher keine weiteren, Ende des 17. oder anfangs des 18. Jahrhunderts aktiven Glashütten archäologisch erforscht wurden, lässt sich nicht sagen, ob auch anderswo und eventuell schon vor 1673 oder nach 1714 Gläser dieses Typs produziert wurden. Wichtig ist der Nachweis, dass diese Gläser im schweizerischen Jura hergestellt wurden und somit alle früheren Vermutungen, die Produktion habe in Venedig oder in den Niederlanden stattgefunden, obsolet sind. In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, dass für die Herstellung der weissen Fadeneinlagen ein Verfahren zur Anwendung kam, das in anderen Glasmacherregionen unbekannt war; die Wandung von Fuss und Schaft besteht aus zwei farblosen Glasschichten, zwischen die die weissen Fadeneinlagen eingebettet sind.

Schauen Sie sich die Filme an, die in der Sektion gezeigt werden, in der Sie sich jetzt befinden. Einer davon wurde speziell hergestellt, um den Entstehungsprozess der hier ausgestellten Stücke zu zeigen. Wir danken Bill Gudenrath und dem Corning Museum of Glass, dass wir den Film hier zeigen können. Nicht zu sehen ist im Film, wie die achteckige Kuppa entsteht; dabei wird ein gerippter Tonkegel von oben in die Kuppe eingeführt.

© Foto: Vitromusée Romont / Erwin Baumgartner