
Fussbecher mit Deckel
Schlesien, 2. Viertel 18. Jh.
Farbloses Glas
H 18,5 cm (mit Deckel)
Vitromusée Romont, VMR VO 159
Seit der Antike wurde gelegentlich Glas mit geschliffenem und geschnittenem Dekor versehen. Ab dem 17. Jahrhundert entstanden Werke, die alles Frühere an Qualität der Ausführung übertrafen. Voraussetzung für diese Entwicklung war, dass Erfahrungen, die im 16. Jahrhundert bei Schliff und Schnitt von Edelsteingefässen – zum Beispiel aus Bergkristall – gemacht wurden, auf die Bearbeitung von Glasgefässen übertragen wurden. Das betrifft vor allem die Möglichkeit, feine Motive mittels Tiefschnitt in Oberflächen einzuarbeiten. Während im 17. Jahrhundert die führenden Glasschneider in Nürnberg arbeiteten, ging um 1700 das Primat an Böhmen und dann an Schlesien über. Zwischen etwa 1725 und 1750 hatte Schlesien die führende Position im künstlerischen Glasschnitt inne.
Es ist ein Glücksfall, dass dieser Fussbecher mit dem originalen Deckel erhalten ist; erst in der Kombination entsteht der vom Glaskünstler angestrebte harmonische Gesamteindruck.
Das Glas selbst dürfte in einer Glashütte im Hirschberger Tal in Schlesien hergestellt worden sein, der Dekor wohl in einer der vielen Werkstätten dieser Gegend, eventuell in Warmbrunn, einem Zentrum für die Herstellung von Schnittdekor. Im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts arbeiteten dort dutzendweise Glasschneider, einerseits für ein breites Publikum – etwa für die Besucher der schlesischen Bäder – anderseits aber auch für die Landesherren, die Grafen Schaffgotsch, in deren Herrschaft sämtliche Glashütten und Glasveredelungsbetriebe des Hirschberger Tales angesiedelt waren. Das hier vorgestellte Glas dürfte für ein Mitglied dieser Familie bestimmt gewesen sein, ist doch auf der Hauptseite des Bechers der aus der Helmzier des Familienwappens übernommene Baum und darüber die Devise der Schaffgotsch – Aucun temps ne le change – angebracht.