Vitromusée Romont
Vase im orientalistischen Stil

Vase im orientalistischen Stil

Emile Gallé (1846–1904)
Nancy, 1884
Kristallglas, farblos mit grünlich-blauer Tönung, «claire-de-lune» im unteren Teil, formgeblasen, mit polychromer Emaille und Goldfarbe dekorativ bemalt.
H 8.5 cm, Dm 5 cm
Musée Ariana, Genève, AD 143

Die hier ausgestellte Henkelvase wurde vom aus Nancy stammenden französischen Künstler Emile Gallé (1846–1904) hergestellt, der auf dem Gebiet der Glaskunst als der bekannteste Vertreter des französischen Jugendstils gilt und Gründer der École d’arts décoratifs de Nancy war. Die Vase, deren Form an islamische Moscheeampeln erinnert, besteht aus mundgeblasenem transparentem Glas. Gallé verzierte die abgekühlte Vase mit Emaille und dekorierte den Hals der Vase zudem mit Goldfarbe. Er zeichnete mit einer schwarzen Kontur und dunkelblauer Farbe eine arabische Kalligrafie auf dem Bauch der Vase und ein Wappen mit einem Löwen auf dem Hals. Die Technik der Emaillierung, bei der gemahlenes, mit unterschiedlichen Farbpigmenten vermischtes Glas auf das Objekt aufgetragen und anschliessend bei niedrigeren Temperaturen kontrolliert aufgeschmolzen wird, hat ihren Ursprung in der islamischen Welt, wo sie erstmals im 12. Jahrhundert im syrischen ar-Raqqa nachgewiesen wurde und sich während der Mamlukenherrschaft (1250–1517) bis nach Ägypten ausbreitete. Für die Vergoldung der Gläser, eine aus byzantinischer Zeit stammende Technik, bei der kleine Mengen Gold auf den Glaskörper eingebrannt werden, wurden bis zur Eroberung Syriens durch Timur Lenk (1336–1405) vor allem Damaskus und Aleppo berühmt. Mit Gold und Emaille verziertes Glas wurde in Europa und China nicht nur zu einer begehrten Ware, die (Gold-)Emaille-Technik gelangte im Zuge intensiver Handelsbeziehungen im Mittelmeerraum seit dem 15. Jahrhundert auch nach Venedig. Um das eigene Kunsthandwerk in Europa zu revitalisieren, rezipierten Glaskünstler wie der in Nancy arbeitende Gallé – im Zuge des Historismus und Orientalismus des 19. Jahrhunderts – unter anderem auch mamlukische Kunstformen und Techniken. Gallé stellte Vasen im orientalisierenden Stil insbesondere seit den 1880er-Jahren her und präsentierte seine Stücke auf den Pariser Weltausstellungen: So feierte er beispielsweise mit 300 Gläsern auf der Exposition Universelle des Jahres 1889 grossen Erfolg.

© Foto: Vitromusée Romont / Yves Eigenmann